Was hat die Customer Journey mit Prozessmanagement zu tun?

In den letzten Jahren ist ein Begriff zunehmend in den Fokus der Betrachtungen gekommen, die Customer Journey. Die Interaktion zwischen Kunde und Unternehmen ist schon lange nicht mehr auf den reinen Austausch von Waren gegen Geld beschränkt. Die Anbahnungsphase vor dem Kauf und die Betreuung nach dem Kauf gab es schon immer, doch die Erwartungshaltung des Kunden hat sich grundlegend geändert.

„Der Kunde war schon immer König, heute will er aber auch wie einer behandelt werden.“

Mit zunehmender Verfügbarkeit ähnlicher oder gleichwertiger Produkte von unterschiedlichen Herstellern und damit zunehmend austauschbaren Produkten und Dienstleistungen erweitern sich die Kundenerwartungen auf die vor- und nachgelagerten Kundenkontaktpunkte:

  • Information,
  • Beratung,
  • Auswahl,
  • Kauf,
  • Lieferung/Leistung,
  • Betreuung und Retoure.

Nur ist die Customer Journey keine reine Aneinanderreihung von Kundenkontaktpunkten, sog. Customer Touch Points.

„Nur wer diesen Parcours auf jeder Etappe erfolgreich bedienen kann, wird zunehmend die Kundenerwartung erfüllen und darüber die Kundenbindung erhöhen können. Die auf diesem Wege gesammelten Kundendaten ermöglichen es Unternehmen zudem, gezielter individuelle Kundenangebote zu erstellen“, so Oliver Rosenstein, Leiter Prozessmanagement, toom Baumarkt.

Wenn bisher von den Kundenerwartungen die Rede war, dann ist es erforderlich auch hier weiter zu differenzieren. Es gibt nicht den einen Kunden, jeder Kunde hat seine eignen, individuellen Erwartungen und Notwendigkeiten bzw. seinen Informationsbedarf an den einzelnen Customer Touch Points. Um diese besser zu greifen, werden diese in Gruppen, sog. Personas, zusammengefasst.

Eine Persona bündelt dabei die Erwartungen einer Kundengruppe, bspw.: Thomas, 34 Jahre, Angestellter, 2 Kinder, es werden darüber hinaus Angaben zum verfügbaren Einkommen, Fertigkeiten und Motivationen für den Kauf eines bestimmten Produktes angenommen.

Die Herausforderung der Unternehmen besteht also darin, die individuellen Erwartungen der Personas, die auf der Customer Journey verschiedene Vertriebskanäle kombinieren, einzigartig zu bedienen. Dies führt zu einer steigenden Komplexität im Management der Prozesse. Die richtigen Prozesse müssen in den Fokus rücken, für Kunden nutzenstiftende Reaktionszeiten müssen verkürzt werden, Informationen (Preise, Qualitäten, Warenbestand, Lieferzeiten) müssen an den div. Customer Touch Points verfügbar sein.

Schon jetzt sind die Auswirkungen erkennbar: Die Vernetzung der Prozesse wird weiter steigen, die Verfügbarkeit von Informationen wird immer wichtiger, Workflowmanagement-Systeme werden vermehrt zum Einsatz kommen und damit die Automatisierung von Prozessen, die Digitalisierung der Organisationen weiter voranschreiten.

Ist Prozessmanagement die Antwort oder eher hinderlich?

Prozessmanagement steht oftmals in der Kritik, da es als starres Gebilde wahrgenommen wird, das in Zeiten agiler Methoden, steigender Komplexität, steigender Unsicherheit und notwendiger Flexibilität zunehmend vermeintlich seine Existenzberechtigung verliert. Prozessreifegrade, Prozesskennzahlen werden geradezu als Ausdruck von internen Optimierungszwängen wahrgenommen, durchgeführt, um Kosten zu senken und den Deckungsbeitrag weiter zu maximieren, ohne an den Kundennutzen zu denken.

Zu groß ist oftmals die Kluft zwischen den dokumentierten Prozessen und den im Tagesgeschäft gelebten Prozessen. Auf der anderen Seite zeigen einschlägige Umfragen, dass auf Top-Managementebene in den letzten Jahren die steigende Bedeutung des Prozessmanagements in der eigenen Organisation vermehrt wahrgenommen wird. Das Prozessmanagement muss sich also die Frage gefallen lassen, wie es der Notwendigkeit einer zunehmend flexiblen Organisation begegnen kann.

Strategien über Prozesse umsetzen – der Weg zum kundenorientierten Unternehmen

Wenn die Customer Journey buchstäblich die Kundenerwartungen zusammenfasst, ist es geradezu zwangsläufig, dass sich die internen Prozesse auch an der Customer Journey ausrichten.

  • Wenn der Kunde am Anfang steht, ist damit auch die Ausrichtung der Prozesse vorgegeben?
  • Wird die Customer Journey damit zum einzigen Kernprozess, an dem sich die anderen Prozesse in der Organisation ausrichten?
  • Benötigen wir dann noch eine klassische Prozesslandkarte mit Kern-, Support- und Managementprozessen?

 

Bild: Beispielhafte Prozesslandkarte

Agile Methoden stellen den Kunden als Auftraggeber in den Mittelpunkt der Entwicklung. Die Customer Journey und Personas sind wesentliche Bestandteile des agilen Methodenkoffers.

Damit ergeben sich neue Herausforderungen für die Organisation, es rücken vermehrt Change Aspekte in den Mittelpunkt, funktionsübergreifendes Arbeiten, Konflikte aus der Kundenperspektive lösen, nicht aus der Hierarchie oder informellen Organisation. Es gibt nicht den einen methodischen Ansatz, sondern es kann nur unternehmensindividuelle Ansätze geben. Jedes Unternehmen hat seine eigene Unternehmenskultur und damit sind die sinnvollen Veränderungspfade unterschiedlich. Eins scheint allerdings gesetzt zu sein.

Die Organisationen müssen flexibel auf Veränderungen eingehen können und mit agilen Methoden die erforderlichen Anpassungen vornehmen.

Prozessorientierte Unternehmensführung ist eine mögliche Antwort.

Um diesen Anspruch umzusetzen, ergeben sich Auswirkungen auf die Gestaltung der Organisation. Die Notwendigkeit abteilungs- und bereichsübergreifend zu denken, erfordert eine abteilungs- und bereichsübergreifende Entscheidungs- und Verantwortungskompetenz und sollte beim Prozessverantwortlichen liegen. Das ‚Denken in Stellen‘ wird durch das ‚Denken in Rollen‘ sinnvoll ergänzt, wenn nicht sogar ersetzt.

Das bedeutet auch, dass mehr Freiräume für die kundenorientierte Gestaltung von Prozessen auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auf die Prozessteams verlagert werden müssen. Dies führt zu tiefgreifenden Änderungen in der Unternehmenskultur, Gestaltungsfreiraum, Selbstorganisation und Eigenverantwortung nehmen zu. Die Aufgabe des Prozessmanagements muss es sein, diese agilen Elemente zu unterstützen. Es geht darum, Kreativität und Innovationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern und freizusetzen, nicht durch starre Prozesse und Zielvorgaben für einzelne Prozesse zu unterdrücken.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Customer Journey? Schreiben Sie uns im BPM&O Blog!

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